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Der oder die Rigi?

Aus dem Buch "Gipfelgeschichten - wie die Schweizer Berge zu ihren Namen kamen" von Nathalie Henseler


Die Rigi thront wie eine kegelförmige Aussichtskanzel über dem Mittelland. Sie steht am südlichen Ende des Zugersees, am Einfallstor der Nord-Süd-Achse - vielleicht nennt man sie deshalb "Königin der Berge"? Und nicht nur wegen der grandiosen Aussicht? Bei klaren Sichtverhältnissen sieht man von Rigi-Kulm bis zum Matterhorn im Süden und im Norden bis in den Schwarzwald. Ihre während Jahrmillionen übereinandergeschobenen Nagelfluhschichten, sogenannte Riginen, gaben ihr den Namen, und ja - sie ist weiblich! 

Die Deutung, wonach der Bergname Rigi von Regina (montium) (also "Königin der Berge") abgeleitet sein soll, erscheint bereits im Jahr 1749 in der landeskundlichen Beschreibung der acht alten Orte aus der Feder von Albrecht von Bonstetten, des Humanisten und Dekans des Klosters Einsiedeln. Dabei verwendete er laut Schwyzer Namenbuch aber in der deutschen Version nicht Regina, sondern dem Namen angemessener Rigena. Nach Bonstetten sollen in diesem Berg auch Heilige verborgen gewesen sein, die sich gelegentlich durch Gesänge oder gar leibhaftig bemerkbar machten. Seine Regina-These wurde über Jahrhunderte von Reiseschriftstellern und Lexikografen gepflegt, bis Namenforscher Josef Leopold Brandstetter erst Ende des 19. Jahrhunderts "endgültig mit den Deutungen aus dem Latein aufräumte", wie Viktor Weibel schreibt. Brandsteter bringt die richtige Deutung mit althochdeutsch riga, "Linie, Reihe" und bezieht das auf die streifenförmige Struktur im oberen Bereich des Berges. Das schweizerdeutsche Wörterbuch, das Idiotikon, definiert Rigine als "horizontal laufende Schichtung, Streifen, Band im Gebirge".

Die urkundlichen Belege für die Rigi sind zahlreich und gehen zurück bis ins Mittelalter. Erstmals ist die Rigi im Jahr 1368 in einer Urkunde erwähnt: in pede montis riginam, "am Fusse des Berges Riginam". Etwas später, im Jahr 1384, ist von Riginen die Rede. Ab 1508 ist die Bezeichnung klar feminin: "So ward dem Schwiter und sinem bruder Tschey der boden zuo Brunnen und die gelegenheit am Haggen und die Reginen, den bergen, so diser zit Rige heisst, zu theil."
Dass dieser Berg schon früh in vielen Dokumenten anzutreffen ist, verdankt er seiner prominenten Lage. Der einsetzende Alpen-Tourismus Mitte des 19. Jahrhunderts bescherte dem beschaulichen Voralpenberg eine steile Karriere. Alle wollten die Rigi sehen, alle wollten sie erklimmen. Mit den Wünschen der Touristen entstand für die Einheimischen ein einträglicher Geschäftszweig. Der alte Weg durch den Wald an der Nordlehne hinauf zum Dächli und von dort über Staffel nach Rigi-Kulm. Auf der einen Seite Abgrund und heikle Passagen, auf der anderen die einträgliche Last, die eine willkommene Einnahmequelle bot.



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